Die Geschichte der Anhänger des
1.Fc Nürnberg
Die Anhänger des 1. FC Nürnberg, die auch „Cluberer“ genannt werden[33], kennzeichnen sich selbst durch eine besonders ausgeprägte Leidensfähigkeit. Diese findet im Selbsturteil „Der Club is a Depp!“ ihren besonderen Ausdruck, seit es dem Club als amtierender Meister 1969 gelang, aus der Bundesliga abzusteigen. Ansonsten sind die Clubfans in ihrer Geschichte durch drei Charakteristika gekennzeichnet: Massenbewegung, Gewaltbereitschaft und Kreativität. Diese drei Elemente finden sich bereits in der frühen Geschichte des 1. FC Nürnberg:
- Es war am 1. Juni 1908, als das Gastspiel der englischen Spitzenmannschaft aus Sunderland mit 3.000 Zuschauern erstmals eine Vorahnung auf den späteren Massenansturm auslösen gab. 9.000 Zuschauer wollten 1913 den Vergleich zwischen dem Club und der SpVgg Fürth im neuen Stadion in Zerzabelshof sehen. Doch zu einem echten Massenphänomen wurde der 1. FC Nürnberg erst nach dem Ersten Weltkrieg. Einerseits entwickelte sich Fußball in dieser Zeit generell zu einem Zuschauersport, andererseits erlebte der Club mit den fünf deutschen Meisterschaften zwischen 1920 und 1927 seine erfolgreichste Zeit. Begeisterte Empfänge für erfolgreiche Helden sind dabei kein Phänomen der Neuzeit. So erwarteten 40 bis 50.000 Nürnberger die Titelverteidiger von 1921 bei ihrer Rückkehr am Nürnberger Hauptbahnhof. Auch auf der Strecke zur Meisterfeier blieb der Tross immer wieder in den begeisternden Massen stecken. Eugen Seybold, Herausgeber der Zeitschrift Fußball, berichtete von Menschen, die „mit einer Begeisterung, wie es kein Fürst und kein Kaiser … in Nürnberg je erlebt haben“ schrieen.[34]
- Nicht nur Massenbegeisterung, sondern auch Ausschreitungen beim Fußball waren bereits in den 1920ern bekannt. Beim ersten der endlosen Endspiele von 1922 in Leipzig bewarfen die Nürnberger Fans, die auf einer Nottribüne zusammengepfercht waren, vor ihnen postierte Zuschauer mit Steinen und Flaschen. Ein Nürnberger Fan schrieb zwei Jahre später noch beeindruckt: „Wie das flog, klirrte und in der Sonne glitzerte, als so einige tausend Sodawasserflaschen auf einem Frontabschnitt von 200 Meter hoch im Bogen auf die vorderen Reihen niederprasselten. Es war lieblich anzusehen, wie sie da im schwarzen Dreck zur Deckung gegen die feindlichen Geschosse niedergestreckt lagen, die Damen mit den weißen Sommer-Kleidern. So was muss man gesehen haben. Da muss man dabei gewesen sein!“[35] Bei den Derbys gegen die SpVgg Fürth gab es bei der An- und Abreise nach Fürth immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Clubfans und ihnen auflauernden Fürthern.[36]
- 1924 waren es Clubfans, die beim Endspiel in Berlin ihre zahlenmäßige Unterlegenheit durch Wimpel und Fahnen auszugleichen versuchten. Beim Endspiel 1925 in Frankfurt verwandelten die Nürnberger das Frankfurter Waldstadion in ein schwarz-rotes Fahnenmeer. Während die Clubberer diese Tradition begründeten erlernten sie ihrerseits beim Endspiel 1927 von den Berlinern organisierte Schlachtrufe. Das „Ha-ho-he, Hertha BSC“ der Berliner beantworteten die Clubfans noch im selben Spiel nach dem 2:0-Sieg mit dem ersten überlieferten Fanruf „Hi-ha-ho, Hertha ist k.o.“.[37]
Bis zum Beginn der Bundesligazeiten war das Verhältnis zwischen den Spielern und den Anhängern überwiegend familiär geprägt. Die meisten Spieler, aber auch die Gegner, kamen aus der Region. Die Fans konnten einigen Spielern auch im Alltag in deren Lotto-Toto-Annahmestellen und Schreibwarenläden begegnen. Die langjährige Zweitklassigkeit während der 1970er Jahre gilt heute als eine Ursache für die Verwurzelung des Club mit seinen 380 Fanklubs und über 15.000 Mitgliedern in der Region Franken[38]:
„Während aus Fußballern Popstars wurden das Spiel sich immer mehr zu Geschäft wandelte, entstand eine starke Verankerung des 1. FC Nürnberg in Franken, die sich bis heute in den zahlreichen Fanklubs widerspiegelt.“
– Bausenwein et.al. 2006, S. 298
Der erste Fanklub entstand mit dem „Fanklub Seerose“ in der Zweitligasaison 1970/71 nach dem Vorbild des „Fanklub Hessen Kassel“. Das Lokal Seerose am Dutzendteich war damals ein Treffpunkt für die sogenannten Kuttenfans[39] Da die Zweitklassigkeit mit der Regionalliga Süd zunächst noch sehr kleinräumig organisiert war, konnten auch zu den Auswärtsspielen stets 4 bis 5.000 Cluberer mitreisen. Während die Seerosenfans immer wieder in Schlägereien verwickelt waren, war der Kern der entstehenden Hooligan-Szene im 1980 gegründeten Fanklub „Red Devils“ organisiert. Dieser umfasste 1981/82 etwa 100 Mitglieder und galt in der Bundesliga bis zum Mauerfall 1989 „als führend“.[40]
Die Nordkurve beim Heimspiel gegen Arminia Bielefeld am 15. Oktober 2006
Der Verein setzte erstmals in der Regionalligasaison 1996/97 einen hauptamtlichen Fanbeauftragten ein, im Jahr 2006 arbeiteten drei Fanbeauftragte beim FCN.[41] Seit Ende der 1990er Jahre hat der Verein die Betreuung der Fanklubs auf zehn Fanbezirke aufgeteilt, denen jeweils ein Koordinator vorsteht. In den Bezirken 1 bis 6 sind Fanklubs aus unterschiedlichen Regionen Frankens organisiert. Der 1998 gegründete Supporters-Club bildet den Bezirk 7. In den weiteren Bezirken sind die Rollstuhlfahrer, das Fanprojekt Nürnberg und das Internet/Weltweit, das Fanclubs aus aller Welt betreut, organisiert.[42] Seit 2002 gibt es den FCN-Fanverband, dem überwiegend Fanklubs der Bezirke 2, 3 und 4 angehören. Insgesamt 230 Fanorganisationen mit ca. 14.000 Mitgliedern sind hier verbunden.[43] Der Fanverband will die Arbeit und Interessen der Fanklubs unterstützen und bezirksübergreifende Aktivitäten koordinieren.[44] Insbesondere die rund 800 im Supportersclub organisierten Fans stehen der Arbeit des Fanverbands kritisch gegenüber und beklagen, dass beim Fanverband „nicht immer unbedingt das Wohl der Fans und die Fanarbeit im Vordergrund“[45] stehe. Unabhängig von diesen Strukturen organisierten sich seit 1994 die Anhänger der Ultràs als „Ultràs Nürnberg 1994“. Deren Mitgliederzahl wuchs bis 2005 auf rund 1.000 Personen an.[46] Bei den Heimspielen versammelt sich der Kern der Anhänger in der Nordkurve des Stadions. War früher der „Block 4“ des Städtischen Stadions das Zentrum der Unterstützung, sind es im easyCredit-Stadion die Blöcke 7, 9 und 11, sowie seit der Saison 2005/06 durch den Umzug der Ultras aus Block 7 vor allem auch im Oberrangblock 8.
Die Fans des FCN unterhalten seit Anfang der 1980er Jahre eine innige Fanfreundschaft mit den Anhängern des FC Schalke 04. So kann man bei fast jedem Spiel des FCN im Ruhrgebiet Schalker im Block der Nürnberger antreffen. Umgekehrt wird der FC Schalke 04 von den Cluberern im Süden, zum Beispiel in München oder beim Stuttgart, unterstützt. Für die Ursache dieser ersten intensiven Fanfreundschaft in Deutschland gibt es zahlreiche Varianten, deren gemeinsamer Kern eine Begegnung zwischen Nürnberger Mitgliedern des Fanklubs Red Devils und Schalker Gelsen-Szene ist. Einmal war es eine zufällige Begegnung bei einer Zugfahrt, ein anderes Mal die gemeinsame Verbrüderung bei einer Auseinandersetzung mit Bayernfans. Eine weitere Variante geht auf eine erste indirekte Begegnung durch eine Reportage des Stern über Schalke-Fans zurück, die auf den Fotos auch Aufnäher des 1. FCN trugen. Bis heute gilt die Qualität der Verbundenheit zwischen Clubfans und Anhängern von Schalke 04 als „in der deutschen Fußballlandschaft einmalig“.[47] Erstmals offiziell zelebriert wurde die Freundschaft am 14. Dezember 1991 mit offiziell genehmigten bengalischen Feuern und Fahnenkorso im Frankenstadion.[48] Darüber hinaus pflegen die Ultras Nürnberg eine enge Freundschaft zu den Ultras des SK Rapid Wien sowie den Fanszenen von Brescia Calcio, dem IFK Göteborg und Olympique Marseille. Zugleich stellen sie größer werdende Differenzen zu den Schalker Ultras fest. |